Völkermord und Völkerrecht sind miteinander eng verbunden. Erst in der Konvention der Vereinten Nationen über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes aus dem Jahre 1948 wurde der Völkermord als eigenständiges Verbrechen eingeführt. Zahlreiche Rechtsordnungen, darunter Deutschland im § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuchs, haben daraufhin die Definition der UN-Konvention übernommen. Ihr Artikel 2 definiert folgende Handlungen als Völkermord, die in der Absicht begangen werden, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören:
- Tötung von Mitgliedern der Gruppe;
- Verursachung von schwerem körperlichem oder seelischem Schaden an Mitgliedern der Gruppe;
- vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen;
- Verhängung von Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind;
- gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe.
Diese Definition ist einerseits zu breit und andererseits zu eng verfasst. Der objektive Straftatbestand sieht eine Liste von alternativen Tathandlungen vor. Auffällig ist es, dass nicht einmal die Tötung von Mitgliedern einer Gruppe notwendig ist. Das Ziel der Verfasser der Definition war offensichtlich die Miteinbeziehung möglichst vieler Handlungen. Dies ist insoweit problematisch, als die Grenze zwischen dem Völkermord und anderen Verbrechen gegen die Menschheit dadurch verschwimmt. Das Spezifikum des Völkermords ist infolgedessen nicht im objektiven sondern im subjektiven Tatbestand zu finden. Eine Zerstörungsabsicht seitens der Täter muss nämlich vorhanden sein. Totschlag, Mord und Völkermord könnten quasi hierarchisch geordnet werden. Im Unterschied zum Totschläger, tötet der Mörder aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen. Der Völkermörder will seinerseits, im Unterschied zum Mörder, eine ganze Menschheitsgruppe zerstören. Es wäre allerdings gefährlich, den Völkermord mit „normalen“ Verbrechen zu vergleichen. Es ist nicht der Umfang des Verbrechens, der den Völkermord vom Mord unterscheidet, sondern das Ziel dieses Verbrechens selbst: die Zerstörung einer Gruppe. Der Völkermord stellt also ein Verbrechen dar, das von seinem objektiven Tatbestand fast losgelöst ist. Dies wurde im Falle Eichmann gut veranschaulicht: Er wurde wegen Völkermord erhängt, obwohl während seines Prozesses nicht bewiesen wurde, dass er direkt getötet hatte.
Diese Zerstörungsabsicht lässt sich jedoch nur schwer beweisen: Es ist die probatio diabolica des Straftatbestands des Völkermords. So wurde z.B. der Präsident der Versammlung der Serben aus Bosnien Momcilo Krajisnik vom Internationalen Strafgericht für Ex-Jugoslawien freigesprochen, da diese Zerstörungsabsicht nicht bewiesen war. Aufgrund dieser Schwierigkeiten bei der Bestrafung scheint die Definition der UN-Konvention zu eng verfasst zu sein.
Die internationalen Strafgerichte für Ex-Jugoslawien und Ruanda konkretisieren den Willen der internationalen Gemeinschaft, Völkermorde nicht unbestraft zu lassen, und vervollständigen insoweit die UN-Konvention von 1948. Bisher wurden zwei Verurteilungen wegen Völkermords in Ex-Jugoslawien und ca. 20 in Ruanda gefällt.
Der Völkermord ist mit dem Völkerrecht jedoch nicht nur durch Konvention oder Strafgerichte verbunden, sondern auch aufgrund der Bedeutung dieses Verbrechens. Entgegen einer verbreiteten Meinung, stellt der Völkermord an den Juden nicht nur ein Verbrechen gegen den Judentum dar, sondern auch ein Verbrechen gegen die ganze Menschheit (S. Arendt, Eichmann in Jerusalem – Ein Bericht über die Banalität des Bösen). Gleiches gilt für den Völkermord an den Armeniern und für jeden Völkermord. Sogar die so genannten „internen“ Völkermorde, wie z.B. in Kambodscha, wurden gegen die Menschheit verübt. Nur das Völkerrecht hat demnach die Legitimation, um gegen diese abscheuliche Kriminalität vorzugehen. Wie die milden Prozesse gegen Nazis in Nachkriegsdeutschland und die Rehabilitierung fast sämtlicher Täter des Völkermords an den Armeniern in der türkischen Republik deutlich machten, ist eine nationale Gerichtsbarkeit nicht imstande, Völkermörder zu bestrafen. Die Errichtung eines Internationalen Strafgerichtshofs, der unter anderem für Völkermorde zuständig ist (Art. 5 des Statuts), durch den Vertrag vom 17.7.1998 ist deshalb begrüßenswert. Ob dieser Strafgerichtshof alle Versprechen halten wird, ist allerdings nicht sicher. Denn die Dimension der Gewalt ist in den internationalen Beziehungen und somit im Völkerrecht nicht zu unterschätzen. Die Anwendung des Völkerrechts, das an sich hochentwickelt ist, bleibt primitiv, weil die internationale Gemeinschaft primitiv ist. Die Diskrepanz zwischen dem theoretischen Dürfen und dem tatsächlichen Können ist vielleicht nirgendwo mehr als im internationalen Strafrecht zu spüren.